Regie: Radu-Alexandru Nica
Thomas, der Sohn der alleinerziehenden Kostümbildnerin Franziska, hat ein morbides Hobby: das Fotografieren toter Menschen. Nicht weniger pathologisch scheint seine Umwelt zu sein. Seine Mutter ist selten für ihn da und führt ein recht umtriebiges Sozialleben; unter anderem hatte sie bis vor kurzem eine Affäre mit dem verheirateten Gynäkologen Manfred. Dieser stellt seit dem Tod seines Sohnes Veränderungen an seiner Frau Anna fest, die immer drastischere Ausmaße annehmen und von seiner Seite aus durch sein Hobby, das Radfahren, kompensiert werden. Ein Stück über die schwierige Suche der Menschen nach Auswegen aus Entfremdung, Alleinsein und verstörter Kommunikationsfähigkeit.
"Seine Inszenierung verzögert sich keine Sekunde und ihr Rhythmus ist wahrlich schwindelerregend. Die Wirbel auf der Bühne erzeugen beim Publikum halluzinatorische Wirkungen und ziehen die Zuschauer hinein ins Geschehen, wie eine veritable Zentripetalkraft. Die Szenen überkreuzen sich schnell, die Diskussionen zwischen den gegenwärtigen Gestalten sind voller Selbstkontrolle und Kälte, sie pflegen und strahlen eine eisige Atmosphäre aus. Ein Ausgleiten (eigentlich nicht eines, sondern Dutzende!) auf schiefen Bikerebenen oder das buchstäbliche Von-den-Füßen-Fallen der Schauspieler, wie von Blitzen getroffen, in epochenspezifischen energetischen Vertigos, grenzen die einzelnen Szenen und Ebenen ab. [...] Auf den paar Quadratmetern der Bühne, mit Zuschauern, die sie rechts und links begrenzen, gelingt es Dragoş Buhagiar, mindestens fünf Spiel-Räume vorzuzeichnen: die Häuser der beiden Familien, die ärztliche Ordination, den Parkplatz, den Garten und den Wald. Mit Hybridobjekten, etwa die Gliederpuppe, die auf einer Kugel sitzt, den aufgehängten Fahrrädern, dem gynäkologischen Tisch, der sich unbemerkt in ein Bad verwandelt und durch eine Wand, welche die Bühne begrenzt wie ein Vorgefühl des Rauminneren, schafft er eher konzeptionelle oder progressive Räume, denn jede der Szenen geschieht in einem anderen, engstens die Agierenden zusammenpferchenden Raum, umschrieben von den erwähnten Elementen. [...] Nur identifiziert der Regisseur Radu Alexandru Nica in diesem dramatischen Netzwerk eines Vaudevilles oder einer Telenovela jene zutreffende Nuance, welche die Beziehungen glaubhaft macht. Es zählt, was zwischen zwei Menschen geschieht, vor allem, weil die Probleme dieser Menschen unlösbar sind. [...] Wir haben es mit einer sinnentleerten Verflechtung von Körpern zu tun, die – Sie erraten es! – genau das Tableau unserer heutigen Existenz bieten, in einer Aufführung, die es verdient, gesehen zu werden. Und sei es auch nur, weil die Aufführung keinen Augenblick lang die Aufmerksamkeit der Zuschauer fortgleiten lässt."