Regie: Alexander Hausvater
Cymbelin
erschien, wie die meisten Stücke aus Shakespeares letzter
Dichter-Periode, zuerst in der Gesamtausgabe seiner Werke, der Folio
von 1623, und galt als Shakespeares letzte Tragödie, obzwar man das
Stück vielmehr als eine Tragikomödie betrachtet, die eine komplexe und
dennoch unglaubwürdige Geschichte erzählt. Da die Bühnenaufführung in
dem bereits 1610 oder 1611 verfassten Tagebuch des Astrologen Simon
Forman erwähnt wird, so sind die früheren Meinungsverschiedenheiten
über seine Entstehungszeit bedeutend eingeschränkt worden und schwanken
nur noch zwischen den Jahren 1609 bis 1611. In Formans Schriften wird
die Hauptgestalt "Innogen" und nicht "Imogen" genannt, was sich später
wahrlich als Schreibfehler erwiesen hat. Alle Merkmale des Versbaues
deuten unverkennbar auf eine sehr späte Abfassungszeit hin, ebenso
Stil, Satzbildung und Ausdrucksweise. Wie manches andere Stück
Shakespeares, so ist auch Cymbelin aus einer dramatischen Verschmelzung
historischer und novellistischer Stoffe hervorgegangen. Den Titel und
den Ort der Handlung entnahm Shakespeare der Geschichte Englands unter
der Herrschaft des legendären Königs Cymbelin, oder Cunobelinus, der im
Jahre 33 n. Chr. regiert haben soll. Die Verschmelzung von Boccaccios
Decamerone mit Holinsheds englischer Chronik ist architektonisch und
ökonomisch untadelhaft vollzogen. Auch musste die Handlung der Novelle
unbedingt an Gewicht und Interesse gewinnen, indem Shakespeare sie in
eine weit ältere geschichtliche Periode (gegen den Anfang unserer
christlichen Zeitrechnung) und in eine weit höhere gesellschaftliche
Schicht verlegte. Die deutschsprachige Erstaufführung von "Cymbelin"
erfolgte unter dem Titel "Imogen" am 16. Dezember 1782 am Wiener
Burgtheater.
DER INHALT
Cymbelin, der König Britanniens,
steht unter dem Einfluss seiner zweiten Frau. Sie hasst Imogen, seine
Tochter aus erster Ehe, da diese den Edelmann Posthumus Leonatus
geheiratet hat und nicht Cloten, den Sohn der Königin aus einer
früheren Ehe. Posthumus wird von Cymbelin nach Rom verbannt, wo er mit
dem Italiener Iachimo eine verhängnisvolle Wette um Imogens Treue
eingeht. Aus Britannien zurückgekehrt, behauptet Iachimo, Imogen
verführt zu haben und beweist es mit einigen intimen Details. Posthumus
fällt auf den Betrug herein. In rasender Eifersucht will er Imogen von
seinem Freund Pisanio umbringen lassen. Dieser bringt die Tat aber
nicht übers Herz, vertraut sich Imogen an und rät ihr, als Mann
verkleidet nach Italien auf der Suche nach ihrem Ehemann zu gehen. Auf
dem Weg dorthin trifft sie Bellaria, die aus Rache dem König gegenüber
die beiden bisher toterklärten Schwestern der Imogen, Arvira und
Guideria, entführt hat. Prinz Cloten, der Imogen nachgereist ist, wird
nach einem Streit mit Guideria erschlagen. Imogen nimmt ein von ihrer
Schwiegermutter präpariertes Schlafmittel, im Glauben, es sei Medizin,
und wird für tot gehalten. Mittlerweile ist zwischen Rom und Britannien
der Krieg ausgebrochen. Bellaria kämpft trotz des erlittenen Unrechts
auf Cymbelins Seite. Posthumus hat, als Bauer verkleidet, Heldentaten
zu Gunsten Britanniens vollbracht. Mit dem Ende des Krieges endet auch
die Lügentat Iachimos, und die böse Königin stirbt im Wahnsinn. Imogen
und Posthumus finden wieder zueinander.
DER REGISSEUR
Der
gebürtige Bukarester wandert mit seiner Mutter nach Israel aus, zieht
dann nach Irland, wo er studiert, dem Abbey-Theater beitritt und Leiter
dessen experimenteller Sektion wird. 1971 legt er in Montreal den
Grundstein einer experimentellen Bühne - des "Montreal Theatre Lab".
Texte stellen bei Hausvater lediglich Leitlinien des dramatischen
Geschehens dar, wobei er dieses Prinzip sowohl bei Inszenierungen
klassicher als auch gegenwärtiger Texte umsetzt. Hausvater führte Regie
bei mehr als 150 Stücken, von Israel über Osteuropa und Kanada bis in
die USA. An dieser Stelle seien erwähnt: - ...au pus cãtuşe florilor, nach Fernando Arrabal, Odeon-Theater Bukarest - La Tigãnci, nach Mircea Eliade, Odeon-Theater Bukarest - Perikles, von Shakespeare, Odeon-Theater Bukarest und Theatre Passe Muraille, Toronto - Roberto Zucco, von Bernard Marie Koltes, Nationaltheater Jassy - Der Kirschgarten, von Tschechow, Nationaltheater Jassy - Machinal, von Sophie Treadwell, Nationaltheater Bukarest - Wie es euch gefält, von Shakespeare, Theatre La Licorne, Montreal - König Lear, von Shakespeare, APA Montreal - Richard III, von Shakespeare, Mickery Theatre, Amsterdam - Hamlet, von Shakespeare, Theatre de Quat'Sous, Montreal - Die Kannibalen, von George Tabori, Radu-Stanca-Theater Hermannstadt - Die Nacht des 16. Januar, von Ayn Rand, Staatstheater Großwardein - u.a.m.
Neben
seiner vielfältigen Tätigkeit als Spielleiter, wo er sich gerade durch
Inszenierungen vieler Shakespeare-Werke auszeichnete, unterrichtete er
an Theaterhochschulen in Montreal, Michigan, Tel Aviv, Moskau, Ottawa
usw.
Die Inszenierung "König Cymbelin" am DSTT stellt Hausvaters erstes Engagement an einer Temeswarer Bühne dar.
Der Chor:
Daniela Török, Ioana Iacob, Etelka Magyari, Simona Vintilã, Isolde Cobet, Ida Jarcsek-Gaza, Daniel Ghidel, Boris Gaza, Andrei Hansel, Alexandru Mihãescu, Ionut Chiriac
Soldaten:
Radu Miodrag Vulpe, Andrei Hansel, Daniel Ghidel
"Gutes Theater gab es bei der Premiere zur Spielzeiteröffnung am Deutschen Staatstheater Temeswar. Dem Haus ist es gelungen, den international renommierten rumänisch-jüdischen Regisseur Alexander Hausvater (der damit übrigens sein Debüt in der Bega-Metropole gab) für Shakespeares "König Cymbelin" zu engagieren. Und es hat sich gelohnt. "Cymbeline", wie es in der klassischen deutschen Shakespeare-Übersetzung des Familienunternehmens Schlegel / Tieck heißt, gehört in die Kategorie der Märchen- und Phantasiestücke von der Art des "Sommernachtstraum", "Wintermärchen" oder "Sturm", nur wird es viel seltener gespielt. Gut beraten war das Theater auch, sich die Aufführungsrechte für eine moderne Übersetzung (von Erich Fired) und die von Beate Fäh bearbeitete Bühnenfassung zu sichern. Dass die Texte der Klassiker für das heutige Theater mitunter der Bearbeitung bedürfen, ist spätestens seit Brecht Allgemeingut, und das moderne Regietheater hat sich da manche Freiheiten herausgenommen, meist zum Vorteil des Publikums. In der Fassung, die man in Temeswar zu sehen bekommt, ist jedenfalls viel abgespeckt von dem barocken Bombast, den die um Poesie bemühte Übersetzung der Romantikerin Dorothea Tieck eher noch unterstreicht.(...) Es ist eine Kombination aus ergreifender Liebesromanze und grausamer Haupt- und Staatsaktion. (...) Bevölkert wird diese Schein-Welt von einer bunten Fauna aus Menschen und Fabelwesen, die in Irrtümer und Missverständnisse verstrickt sind, Intrigen schmieden und über Leichen gehen; es gibt Entführung, Verführung, Liebe, Treue uind Eifersucht, Missgunst und Freundschaft, Verbannung und Rache, Feindseligkeit und Versöhnunh, Machtgier und Krieg, Wahnwitz und Weisheit, unverhofftes Wiedersehen und Wiedererwachen von (Schein)Toten. Und am Ende fügt sich alles zum Guten. Das Leben - ein (Alb)Traum? Alexander Hausvater hat dieses Inventar von Motiven als ein herbes Märchen inszeniert, in dme die Gestalten von einer realen Irrealität sind, überhöhte Figuren eher, mit Instinkten und Energien ausgestattet, die menschliches Maß übersteigen. Dafür setzt er alle Mittel der Körpersprache, der gestischen Gestaltung ein - über weite Strecken gemahnt die Aufführung an modernen Ausdruckstanz (Bühnenbewegung: Hugo Wolff). Exemplarische dafür ist die nachgerade akrobatische Schlachtenszene. Ein fast durchgehender Sound, bestehend aus einem elegisch.gefühlvollen Motiv und einem martialischen Marsch (Musik: Tibor Cári), ist diesem faszinierenden Spektakel als Tonteppich untergelegt. (...) Eine beachtliche Zahl von Schauspielern aus Deutschland und von den beiden Bühnen, die sich dieses Haus teilen, bietet in dieser Aufführung ein geschlossenes Zusammenspiel, eine gediegene Ensemble-Leistung - totales Theater eben. Georg Peetz (als Cymbelin, Narr und Jupiter) trägt im wahrsten Sinn des Wortes das Spektakel, er ist der Pol, um den es kreist. Die helleren Planeten in diesem Sonnensystem wären dann Ida Jarcsek-Gaza (Belaria), Claudia Ieremia (Imogen), Ionut Chiriac (Pisanio), Tatiana Sessler (Königin). Das Ergebnis kann sich sehen lassen - nicht nur auf der hauseigenen Bühne."